Veröffentlicht am 19. April 2023 in Technik.
Unsere Einschätzung der Erneuerbare-Energien-Systeme
In den vergangenen Wochen gab es hitzige Debatten in der Politik und auch in der Öffentlichkeit über die sogenannte 65-Prozent-Regelung. Die Bundesregierung hat zum Ziel, dass ab 2024 nur noch Heizungen eingebaut werden dürfen, die einen Anteil von 65 % Erneuerbare Energien aufweisen. Festgeschrieben wird das im Gebäudeenergiegesetz (GEG). Seit Anfang April liegt nun der entsprechende Gesetzesentwurf vor und Fakt ist, dass die Vorgabe kommt, auch wenn es bestimmte Ausnahmen geben wird. Das Ganze gilt übrigens für den Neu- und für den Altbau. Wir wollen euch einen Überblick verschaffen, was es an Erneuerbare-Energien-Systemen am Markt gibt. Außerdem wollen wir sie steckbriefartig einschätzen.
1. Umweltwärme nutzen – die Wärmepumpe
Ganz klarer Heizungsfavorit der aktuellen Bundesregierung unter den Erneuerbaren ist die Wärmepumpe. Das spiegelt sich in den vergleichsweise besten Förderbedingungen und auch in dem Ziel, ab 2024 jährlich 500.000 neue Wärmepumpen in Deutschland zu installieren, wider. Ein ambitioniertes Ziel: Derzeit liegt die Zahl der neu installlierten Systeme bei rund 150.000. Die Wärmepumpe bezieht Energie aus der Umwelt, je nach Gewinnungs-Form aus der Erde, der Luft oder Wasser. Die Bezeichnung einer Wärmepumpe richtet sich danach, aus welchem Medium die Energie gewonnen wird und über welches Medium sie dann im Haus verteilt wird, z. B. LuftWasser-Wärmepumpen. Sie benötigen alle Hilfsstrom, um die Energie zur Wärmeversorgung eines Gebäudes nutzbar zu machen.
+ Nach wie vor hohe staatliche Förderung
+ im Einfamilienhaus-Neubau mittlerweile das Standardsystem
+ Die Effizienzen sind in den vergangenen Jahren immer besser geworden
+ tatsächlich zeigen erste wissenschaftliche Untersuchungen, dass Wärmepumpen auch im Altbau erstaunlich gut sein können
+ Mit reversiblen Wärmepumpen kann man sowohl heizen als auch kühlen
– Im Altbau muss genau betrachtet werden, ob der Einbau einer Wärmepumpe sinnvoll ist
Ein Trend ist, Wärmepumpen mit PV-Anlagen zu kombinieren
a) Warmwasser-Wärmepumpen
Auch sie sind im Trend: Laut Absatzzahlen des Bundesverbands Wärmepumpe hat sich der Verkauf von Warmwasser-Wärmepumpen in 2022 im Vergleich zum Vorjahr auf rund 45.500 Einheiten fast verdoppelt. Warmwasser-Wärmepumpen werden von vielen als der kleine Einstieg in die Wärmepumpen-Technologie gesehen. Denn sie erzeugen „nur“ Warmwasser und keine Raumwärme. Warmwasser-Wärmepumpen sind meistenteils auf den Boden aufzustellende Geräte, die in ihrer Bauweise als Monoblock ausgeführt sind. Sie beziehen ihre Energie aus der Umgebungsluft. Insofern sind sie am ehesten mit Luft/Wasser-Wärmepumpen vergleichbar. Je nach Luftbezug und -abführung sind grundsätzlich drei Betriebsformen zu unterscheiden: Wärmepumpen, die die Innenluft nutzen (Umluft/Abwärme), Wärmepumpen, die die Innenluft nutzen und sie dann nach außen führen (Abluft) und Wärmepumpen, die ihre Zuluft von außen beziehen und sie auch wieder nach außen geben (Außenluft).
+ Vergleichsweise günstig und relativ einfache Installation
+ Eignen sich für Neubau und Bestand
– Das Manko ist die lange Wiederaufladezeit, wenn der Warmwasserspeicher einmal komplett entleert wurde
Ideal sind Aufstellorte, in denen Abwärme anfällt, z. B. der Heizungskeller oder die Waschküche
b) (Noch) Nischenthema: Luft/Luft-Wärmepumpe
Luft-Luft-Wärmepumpen eignen sich nur für sehr gut gedämmte Gebäude (Niedrigenergiehäuser, Passivenergiehäuser). Da die gesetzlichen Effizienz-Standards hier aber immer mehr in diese Richtung gehen, dürfte die Attraktivität von Luft/Luft-Wärmepumpen zunehmen. Sie entziehen der Abluft Wärme, bevor diese über die Lüftungsanlage nach draußen geleitet wird und gibt die zurückgewonnene Wärme über einen Wärmetauscher an die neu zugeführte Frischluft ab. Luft/Luft-Wärmepumpen schaffen Wärme-Recycling-Quoten von bis zu 90 %.
2. Sonne einfangen – die Solarthermie
Thermische Solarkollektoren sind im Neubau seit Jahren Standard, aber auch in der Heizungssanierung. Die meisten Anlagen werden in ihrer Größenordnung nur zur Unterstützung der Trinkwasser-Erwärmung gebaut, seltener auch zur Unterstützung der Heizwärme-Erzeugung. Es gibt sie als Flach- und als Röhrenkollektoren. Am häufigsten werden Flachkollektoren verbaut. Röhrenkollektoren sind teurer, aber effizienter. Das Nadelöhr, durch das die Solarthermie-Anlage immer gehen muss, ist der Pufferspeicher. Dieser sollte besser großzügig dimensioniert sein, wenn man nicht so viel Solarwärme-Potenzial verschenken will.
+ Ausgereifte Technik
+ Lassen sich mit jedem anderen Heizungssystem kombinieren
Röhrenkollektoren können aufgrund ihrer Bauart nicht nur mehr Wärme liefern als Flachkollektoren, sondern auch besser noch Licht nutzen, wenn die Sonne tief steht oder das Licht diffus ist, z. B. im Winter.
3. Strom und Wärme machen – die Brennstoffzelle
Eine der jüngsten Alternativ-Technologien am Wärmemarkt in der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) sind Brennstoffzellen. Sie nutzen Wasserstoff zur Produktion von Strom und Wärme. Sie basieren auf Erdgas, jüngste machen sich inzwischen auch Solarstrom zu Nutze. Am Markt gängige Brennstoffzellenheizgeräte wandeln mithilfe eines Reformers Erdgas, welches eine wasserstoffreiche Verbindung ist, in reinen Wasserstoff und CO2 um. Der gewonnene Wasserstoff reagiert dann mit zugeführtem Sauerstoff aus der Luft in einer umgekehrten Elektrolyse zu Wasser. Bei diesem Prozess entstehen Wärme und Strom. Der Vorgang wird auch als „kalte Verbrennung“ bezeichnet. Das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) ordnet Anlagen mit bis zu 2 kWel in die Mikro-BHKW-Klasse ein.
+ Dann aber lässt sich der selbst erzeugte Strom auch sehr gut im Haus verwerten (= hohe Eigenstromnutzungs-Quote)
– Junge Technologie am Markt, aber aufstrebend
– Nur sinnvoll bei einem hohen Wärmebedarf
Derzeit die perplexe Fördersituation, dass Brennstoffzellen zwar gefördert werden nach BEG-EM, die Fördervoraussetzungen aber praktisch unerfüllbar sind: Sie müssen entweder mit grünem Wasserstoff oder mit Biomethan betrieben werden, und zwar ausschließlich. Das ist derzeit am Markt nicht möglich.
4. Heizen mit Holz
Für euch als Hausbesitzer kommen zwei Brennstoff-Formen in Betracht: Holzpellets und Scheitholz. Holzpellet-Feuerungen sind eine ausgereifte Technik, die es auch als Brennwerttechnik gibt. Es handelt sich um vollautomatisch betriebene Systeme, die in der Anschaffung zwar teurer sind, aber erstens noch staatlich gefördert werden und zweitens im laufenden Betrieb günstiger sind als Heizöl oder Erdgas, auch wenn die Pelletspreise im vergangenen Jahr durch die Decke geschossen sind. Mittlerweile normalisieren sie sich wieder.
Das Heizen mit einer Scheitholz-Zentralheizung ist für diejenigen interessant, die über günstige Bezugsquellen beim Brennstoff verfügen und die bereit sind, etwas Arbeit an den Tag zu legen, weil sie ihre Anlage per Hand „beschicken“ müssen. Auch hier ist die System-Technik ausgereift – man muss allerdings mögliche gesetzliche Emissions-Verschärfungen im Blick haben.
a) Holzpellets
+ Sie sind eine sehr gute Ersatzlösung für Heizöl, weil sie eine ähnliche Infrastruktur benötigen
+ Die Brennstoffkosten sind niedriger als die von Heizöl oder Erdgas
+ Kein Feinstaub-Problem
– Kombination mit Solarthermie: Technisch perfekt, aber höhere System-Anschaffungskosten, die die Amortisation verlängern. Außerdem: Die Kombination mit Solarthermie ist seit kurzem Fördervoraussetzung nach BEG-EM.
– Meist keine Erdgas-Ersatzlösung, weil hier oft der Raum für ein Pelletslager fehlt. Es gibt allerdings Lösungen am Markt, das Pelletslager außerhalb des Gebäudes auf dem Grundstück aufzubauen. Hersteller wie Ökofen berichten immer wieder davon, dass Kunden von dieser Möglichkeit Gebrauch machen
Das neue Förderprogramm „Klimafreundlicher Neubau“ des Bundes schließt den Einbau von Biomassefeuerungen aus.
b) Scheitholz
+ Ausgereifte Technik
+ Bei günstigen Brennstoff-Bezugsquellen in den Betriebskosten unschlagbar
– Der Betrieb ist halbautomatisch, d. h. der Kessel muss händisch beschickt werden
Vergewisserung, dass der gewählte Kessel den Emissions-Grenzwerten langfristig genügen wird.
5. Ein Ausblick: Die Hybriden
Eine Hybridanlage kombiniert verschiedene Wärmequellen zu einem Gesamtsystem. Der Klassiker unter den Hybrid-Heizungen ist die Kombination eines Kessels mit einer Solarthermie-Anlage auf dem Dach. Aber es gibt heute eine Vielzahl anderer Kombinationssysteme: Hybridanlagen in Form von Wärmepumpen, die Strom aus einer Aufdach-Photovoltaikanlage zu Betriebs- oder Wärmeerzeugungszwecken nutzen, z. B. über einen Heizstab im Speicher. Holzpelletfeuerungen und Wärmepumpen werden auch bereits am Markt schon angeboten Letztere funktionieren über so genannte Bivalenzpunkte. Das sind individuell einstellbare Temperatur-Umschaltpunkte – der Temperatur-Punkt, an dem der Modus in der Betriebsweise von einem System in das andere wechselt.
+ Die heutige Regelungstechnik ermöglicht die Kombination unterschiedlichster Heizsysteme
– Technisch ist das sehr interessant, finanziell gesehen aber meist (noch) sehr teuer.