Veröffentlicht am 14. Juni 2023 in Technik.

Die Brennstoffzelle – eine interessante Option!

Heizen und Strom erzeugen mit Wasserstoff

Mit Wasserstoff (H2) heizen – ist das gefährlich, explodiert der nicht? Jeder von uns kennt aus dem Chemieunterricht von damals in der Schule den „Knall“, wenn Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser reagiert und darüber Energie freigesetzt wird. Den Chemielehrer hat’s immer gefreut, wenn er mit einer einfachen Übung Schüler verschrecken konnte. Es wäre eine mögliche Erklärung für Vorbehalte und manche Ressentiments. Doch das Thema Heizen mit Wasserstoff gibt es bereits seit vielen Jahren und wird über namhafte Firmen wie Buderus, Viessmann oder Remeha in Form von Geräten am Markt angeboten. Im Zentrum steht die Brennstoffzelle als kleines Blockheizkraftwerk.

Die „kalte Verbrennung“

Die am Markt vorhandenen Brennstoffzellen-Geräte arbeiten derzeit noch mit Erdgas. Sie wandeln es mithilfe eines Reformers in Wasserstoff und Kohlendioxid um. Der gewonnene Wasserstoff reagiert dann mit zugeführtem Sauerstoff aus der Luft in einer umgekehrten Elektrolyse zu Wasser. Der Vorgang wird auch als „kalte Verbrennung“ bezeichnet. Bei diesem Prozess entstehen Wärme und Strom. Kombiniert werden die Brennstoffzellen in der Praxis mit einem Erdgas-Brennwertkessel, der für die Spitzenlast zuständig ist.

Politische Planspiele

Das Thema Brennstoffzelle ist derzeit aus verschiedenen Gründen relativ komplex. Aktuell ganz oben auf der Liste steht die Frage, wie das geplante Gebäudeenergiegesetz (GEG) aussehen wird, das ja vorschreiben wird, dass jedes neu eingebaute Heizsystem in Zukunft anteilig zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien (EE) betrieben werden muss. Klassische Brennwertkessel scheiden dadurch nicht gänzlich aus, da sie als Spitzenlastkessel in Kombination mit Erneuerbare-Energien-Technologien weiter verbaut werden können, z. B. mit einer Wärmepumpe oder eben auch mit einer Brennstoffzelle. Das neue GEG jedenfalls wird auch die Brennstoffzelle weiter als Erfüllungsoption der EE-Pflicht ansehen. Die entscheidende Frage ist in allen Kombi-Fällen, also auch für die Kombination aus Brennstoffzelle mit Erdgasbrennwert, ob bei der Wärmeversorgung der 65-Prozent-Anteil erreicht werden kann.

Photovoltaik vs. Brennstoffzelle

Ein anderer Punkt: Die Brennstoffzelle ist unter dem Gesichtspunkt des immer populärer werdenden Themas Eigenstrom-Nutzung eine sehr interessante Alternative zur Photovoltaik-Anlage. Warum? Die Brennstoffzelle produziert Strom in der Größenordnung meist im Wattbereich. PV-Anlagen hingegen im Kilowatt-Bereich. Wenn die Sonne scheint, wird also in kürzester Zeit sehr viel Strom erzeugt, der von der Menge her zeitgleich meist nicht verbraucht werden kann, so dass der Überschuss-Strom entweder in einen Solarstromspeicher wandert und sobald dieser voll ist, weiterer Strom dann ins Netz eingespeist wird.
Die permanent anfallende, relativ geringe Strommenge aus der Brennstoffzelle deckt sich relativ gut mit der Grundlast eines Hauses, sodass hier Eigenstrom-Deckungsraten erreicht werden können, die Photovoltaik nur in Kombination mit einem Stromspeicher erzielt, und, wie Praxisbeispiele zeigen, per Brennstoffzelle auch noch darüber. Der Überschuss wird wie bei der PV ins Netz eingespeist. Angemerkt werden sollte auch das, was gar nicht so banal ist, dass Brennstoffzellen im Gegensatz zu PV-Strom wetterunabhängig produzieren können und außerdem auch nachts.

Ggf. Pluspunkt: Wärmeverteilung kann bleiben

Es gilt auch, einen Blick auf die vorhandene Wärmeverteilung im Haus zu werfen. Braucht sie hohe Vorlauftemperaturen? Moderne Wärmepumpen können heutzutage zwar auch hohe Vorlauftemperaturen von über 50 °C bedienen, aber es bleibt nach wie vor so, dass sie dann ineffizient laufen. Die Kombination von Brennstoffzelle mit Brennwert kann ein vorhandenes, auch älteres Wärmeverteilsystem bedienen. Es müsste nicht ausgetauscht werden, könnte es aber natürlich ggf. zu einem späteren Zeitpunkt. Die Kosten für eine Modernisierung der Wärmeverteilung im Zuge des Umstiegs bspw. auf eine Wärmepumpe wären im Fall der Brennstoffzelle plus Brennwert gespart.

Das Kalkül ist immer individuell

Relativ komplex bei Brennstoffzellen ist auch, wenn Du ermitteln möchtest, wie teuer Dir das System im Vergleich zu anderen kommt. Eine solche Rechnung ist immer individuell. Weil es z. B. darum geht, Stromvermeidungs- und Strombezugskosten gegeneinander aufzurechnen, in Abhängigkeit zu den Bezugskosten von Erdgas und um wieviel der Erdgasbezug im Bereich Wärmeversorgung grundsätzlich reduziert werden kann, wenn man einen alten Gaskessel nun durch einen neuen plus Brennstoffzelle ersetzt. Dass der Wärmebedarf eines Hauses als Voraussetzung zum Betrieb eines Brennstoffzellen-BHKW nicht ungewöhnlich hoch sein muss, zeigen indes Beispiele aus der Praxis.
Welches System ist unterm Strich teurer? Ist eine Wärmepumpe ggf. teurer, weil hier z. B. auch die Erneuerung der Peripherie (Wärmeverteilsystem) einkalkuliert werden muss? Kann ich mit staatlicher Förderung rechnen und wenn ja, in welcher Höhe? Gefördert wurde der Einbau von Brennstoffzellen bis Ende 2022 über das Förderprogramm 433 der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Das waren um die 11.000 €, also ein ganz schöner Batzen.
Seitdem ist die Förderung von Brennstoffzellenheizungen in die Bundesförderung effiziente Gebäude BEG-EM (Einzelmaßnahmen) überführt, auf die man aktuell ganz genau sehen muss, unter welchen Voraussetzungen die Brennstoffzelle gefördert wird. Über den alternativen Förderweg zur BEG, dem sogenannten Steuerbonus können insgesamt 20 Prozent der Investitionskosten einer Modernisierung über 3 Jahre verteilt von der Einkommenssteuer abgezogen werden. Zu recherchieren lohnt sich auch immer, ob es ggf. weitere länderspezifische Förderprogramme gibt, wobei es zu prüfen gilt, ob sie mit der Bundesförderung kombiniert werden dürfen.
In puncto Strom/Eigenstrom müssen auch alle anderen Alternativsysteme, die für sich reklamieren, Dir mehr Energieautarkie zur Verfügung zu stellen, durchgerechnet werden im Vergleich. Photovoltaik-Anlagen in Kombination mit Solarstromspeichern müssen ebenfalls durchgerechnet werden genauso wie Hybridlösungen z. B. aus Wärmepumpen in Verbindung mit PV. Sind sie, für das, was sie bieten unterm Strich die günstigeren Alternativen oder nicht?

Thema Wartung ist wichtig

Ein wichtiger Aspekt wurde vom Förderprogramm 433 angesprochen: die Wartung von BHKW. Das KfW 433 verlangte den Abschluss eines 10-Jahre-Vollwartungsvertrages und die Wartung der Brennstoffzelleneinheit. Die renommierten Anbieter von Brennstoffzellen-Systemen haben meist ein solches in ihrem Programm. Zu prüfen ist, welche Leistungen erbracht werden, wie lange die Wartungsverträge laufen und zu welchem Preis, ggf. ist der Wartungsvertrag im Kaufpreis enthalten. Die Wartung des Brennwertgeräts fällt dann noch extra an.

Wasserstoff direkt und in welcher Farbe

Last but not least wird sich zukünftig die Frage stellen, ob Wasserstoff direkt fürs Eigenheim bezogen werden kann, in welchem Umfang und überdies dann welcher. Anteilig können die am Markt gängigen Brennstoffzellen-Systeme heute schon bis zu 20 Prozent reinen Wasserstoff als Gemisch zum Erdgas einsetzen, was die deutschen Erdgasnetze laut diversen Untersuchungen auch problemlos hergeben. Chemisch gesehen ist Wasserstoff zwar immer Wasserstoff, doch wird er über Farben unterschieden.
Er bekommt seine „Farbe“ über den Strom, der zu seiner Gewinnung eingesetzt wird und darüber, woraus und wie er gewonnen wird. Am unteren Ende der Skala ist er grau, am oberen grün. Welcher Farbe ein Wasserstoff auf der Farbskala zugeordnet wird hängt davon ab, wieviel CO2-Emissionen mit seiner Herstellung verbunden sind. Der aus Erdgas ist blau, der aus Windstrom z. B. grün.

Brennstoffzelle als Option

Das Thema Brennstoffzelle ist zwar komplex, aber zu beleuchten für Dich und Deine Situation sowie Deine Ziele, die Du beim Heizen und auch bei der Stromversorgung erreichen willst, ggf. auch sehr interessant. Das Manko ist gerade, dass die Wärmepolitik der Bundesregierung sehr viel Unsicherheit erzeugt.


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